Kirchweih in Plankstadt

Gänsemarsch am Kerwemontag

In einem Artikel der Schwetzinger Zeitung aus dem Jahr 1950 wird berichtet, daß eine allgemeine Geschäftigkeit und Putzeifer die Plankstädter überfällt, sobald es auf den dritten Oktobersonntag zugeht.

Da ist die Rede von Hausverschönerung, Bereicherung des Kleiderschranks und Geldbeutelerleichterung. Diese allgemeine freudige Ausrichtung auf Kerwe ist doch in unserer Zeit recht zurückgegangen, wobei schon in einigen wenigen Haushalten wenigstens einige der alten Traditionen, wie beispielsweise der Großputz oder ein besonderer Festtagsbraten, noch erhalten geblieben sind. Der Kerwemontag, einer der "höchsten weltlichen Feiertage" in der Gemeinde, hat längst seine große Bedeutung verloren und an manchen geht heute die Kerwe sogar völlig spurlos vorüber.

Wie kam es nun eigentlich zur Festlegung der Plankstädter Kerwe auf den 3. Sonntag im Oktober? Erste Nachweise der Kerwe in Plankstadt gibt es aus dem Jahr 1730, als den Wächtern an Kerwe ein besonderes Zehrgeld zugebilligt wurde. Am 26. September 1840 waren der "Gemeinderath, der Bürgerausschuß und die versammelte Gemeinde" im Rathaus zusammengetreten, um die "weltliche Kirchweihfeyer dahier" zu beraten. Zu dieser Zeit zählte Plankstadt rund 1550 Einwohner, davon waren 256 Bürger. Nur letztere waren abstimmungsberechtigt. Der damalige Bürgermeister Treiber stellte nach "hinlänglicher Berathung" die Frage: "Also soll auch hier die weltliche Feyer den dritten Sonntag im Oktober jeden Jahres abgehalten werden?" und da gegen die gestellte Frage kein Einwand erfolgte, so ließ der Bürgermeister Mann für Mann mit "Ja" oder "Nein" antworten, worauf alle Anwesenden mit "Ja" antworteten. Also wurde die "Plänkschter Kerwe" vor 157 Jahren einstimmig auf diesen Tag festgelegt. Die Abstimmung war vermutlich auf behördlichen Druck anberaumt worden. Die Entschließung wurde sofort vor versammelter Gemeinde als Gemeinderatsbeschluß bekanntgegeben. Verantwortlich dafür zeichneten 1840: Bürgermeister Treiber, die Gemeinderäte Philipp Eberwein, Philipp Gaa und Andreas Treiber und die Mitglieder des Bürgerausschusses G.M. Gaa, Karl H. Schuhmacher, Adolf Senn, Philipp Hahn und N. Schüßler.

Das weltliche Kirchweihfest am 3. Oktobersonntag muß man etwas losgelöst sehen von der kirchlichen Feier der Kirchweihe. Abgeleitet dürfte dieses Jahresgedächtnis aus den Vorbildern des jüdischen Tempelweihefestes (siehe 1. Makk 4,59) sein. Der Brauch eines solchen Jahresgedächtnisses kam schon im 5. Jahrhundert nach Rom. Wurde bei der Weihe der Kirche ein bestimmter Schutzpatron zugedacht, so feierte man an dessen Gedächtnistag das jährliche Kirchweihfest. Auch das Weihefest der Bischofskirche einer Diözese, in unserem Falle das Freiburger Münster, wurde von vielen Pfarreien, deren Kirchweihtag nicht mehr bekannt war, als Kirchweihfest begangen. Schon im 16. Jahrhundert forderten mache Provinzialsynoden wegen der an den Kirchweihtagen vorkommenden Ausschweifungen, daß alle Kirchweihfeste einer Kirchenprovinz auf das gleiche Datum gelegt werden. Auf eine solche Regelung drängten in der Aufklärungszeit (17. und 18. Jahrhundert) auch staatliche Behörden. Die Tatsache, daß in unserer Gegend Kerwe meist im Oktober gefeiert wird, mag auf solche kirchliche und/oder behördliche Festlegungen zurückgehen und auch eine Verbindung mit dem am ersten Oktobersonntag gefeierten Erntedankfest ist denkbar und naheliegend.

Kerwe-Brauchtum

Bei der Verwendung der Begriffe Brauchtum und Tradition muß man heute oft etwas genauer hinschauen; denn vielfach wird etwas, was vielleicht ein- oder zweimal stattgefunden hat, schon als traditionell eingestuft. Die Medien sind mit solchen griffigen Bezeichnungen schnell bei der Hand und tragen so oftmals zu einem inflationären Gebrauch eigentlich klarer Begriffe bei. 

So finden wir bei genauerer Betrachtung bei uns in Plankstadt eigentlich nur zwei Kerwe-Bräuche, die als traditionell einzustufen sind.

Auf den Alt-Adlerwirt Hermann Treiber, der den Adler über 50 Jahre bewirtschaftete, geht der Gänsemarsch am Kerwemontag zurück, der vom Wirt zusammen mit den im Adler anwesenden Kerwmontags-Frühschoppengästen veranstaltet wurde:

Noch zu Lebzeiten des Vaters von Alt-Adlerwirt Hermann Treiber lag dort, wo heute der Adler-Saal steht (also vor 1908), eine große Wiese, die einer Schar ungezählter Gänse als Auslauf diente. Da die Treiber'schen Gänse es mit den Grundstücksgrenzen nicht so genau nahmen, wechselten sie auch auf das Feld des benachbarten Landwirts Jakob Rausch über und fraßen dort den Hafer. 

Aus diesem nachbarschaftlichen Gänsegeplänkel entwickelte sich der Kerwemontagsbrauch des Gänsemarsches, wozu man das Lied sang: "Dem Adlerwert sei Gäns', die fresse dem Rausch de Hawwer weg und waggle mit de Schwänz, dem Adlerwert sei Gäns' "! (Melodie: Ein Jäger aus Kurpfalz)

Dieser "Gänsemarsch" war offenbar auch ein Relikt aus früherer Zeit, wo von lustigen Umzügen an Kirchweih berichtet wird, dabei wurden humoristische oder andere Ereignisse der vergangenen Monate aufs Korn genommen. Nachdem Karl Treiber (Adlerwirt von 1952 bis 1980) sich aus dem Berufsleben zurückgezogen und 1985 verstorben war, wurde auch kein Gänsemarsch am Kerwemontag mehr gesichtet.

Auch der Kerweschlumpel-Brauch erfreut sich heute wieder allgemeiner Beliebtheit. Früher wurde die Schlumpel am Plankstädter Bahnhof abgeholt, begleitet vom Spielmannszug der Feuerwehr und zu ihrer Residenz gebracht. Dort thronte sie meist auf dem Wirtshausschild bis zum Montag. Am Montagabend wurde sie wieder abgeholt und zum Festplatz gebracht, wo sie eine letzte "Tour Reitschul'" fahren durfte, oft zusammen mit dem Bürgermeister. Anschließend wurde sie verbrannt, bevor sie im nächsten Jahr wieder erneut "zum Leben erwachte". In den letzten Jahren ist dieser Brauch wieder mehr und mehr in Mode gekommen, so daß wir heute in Plankstadt über mehr Schlumpeln verfügen, als dies in früheren Zeiten der Fall war. Die Namen weisen dabei auf die jeweilige Residenz hin: "Adlerette, Rössellinde, Mehrzweckhallenorschel, Feldwanzenorschel, Caffine" und ähnliche Bezeichnungen. – Der Festplatz – früher noch der Rathausplatz im Ortszentrum – war mit seinen Attraktionen Treffpunkt für jung und alt; im Vergleich zum früheren Besucherandrang fristen heute die Schausteller auf dem Festplatz am verlängerten Waldpfad eher ein Schattendasein, wie man deutlich beobachten kann. Auch hier spielen vielfältige Einflüsse mit: Übersättigung mit allerlei konkurrierenden Veranstaltungen das ganze Jahr über; größere Attraktivität der großen Fahrgeschäfte auf den großen Messen in Mannheim, Heidelberg oder in den Freizeitparks und die gewachsene Mobilität der Besucher. Schade eigentlich, denn auch die kleineren Schaustellerunternehmen geben sich alle Mühe, den Besuchern etwas zu bieten.

Etwas konnte auch nicht in dem Maße wiederbelebt werden, wie es sich viele vielleicht wünschen: früher waren an Kerwe die Plankstädter Wirtschaften und die Clubhäuser am Samstag und Sonntag fast alle bis auf den letzten Platz besetzt. Die Menschen freuten sich auf Kerwe, denn allzu viele andere Gelegenheiten zum Feiern gab es das Jahr über nur wenige. Dadurch wurde die Kerwe zu einem wahren Fest der Kommunikation der Dorfgemeinschaft, eine wichtige Funktion, die heute zum Teil das Straßenfest übernommen hat. Verwandte und Bekannte von auswärts wurden eingeladen und kamen gerne zu einem Treffen nach Plankstadt zur Kerwe. In den Wirtschaften wurde meist zum Tanz aufgespielt und die Gäste nahem diese Gelegenheit zum Tanz gerne wahr. Diese begrüßenswerte Erscheinung der Kerwe gehört nun – bis auf den Frühschoppen am Kerwemontag - der Vergangenheit an. Mobilität, Individualität, Fernsehen und ein nahezu unüberschaubar gewordenes weiteres Freizeitangebot machten die traditionellen Festformen zunichte. Das gerade an Kerwe aufgrund des Platzangebotes wörtlich zu nehmende "Zusammenrücken" der Menschen hat einem "Auseinanderrücken" Platz gemacht, dessen negative Auswirkungen wir in vielfältiger Weise in unserer immer anonymer werdenden Gesellschaft heute erleben müssen. Unter diesem Aspekt können Feste in der Dorfgemeinschaft nur von Vorteil sein, vorausgesetzt, man übersättigt die Menschen nicht mit Festen.

(Verfasser: Ulrich Kobelke)